Osteoporose-Erkennung bei Frakturen der thorakolumbalen Wirbelsäule

Interrater-Übereinstimmung zwischen computertomografischen Hounsfield-Einheiten und quantitativer CT zur Bestimmung der Knochenqualität

 

BG Klinikum Bergmannstrost Halle

28.11.2024

B.W. Ullrich, F. Schwarz, A.L. McLean, T. Mendel et al.

doi: 10.1016/j.wneu.2021.11.043

 

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Was bisher bekannt ist

Die Weltgesundheitsorganisation WHO, die International Osteoporosis Foundation (IOF) und zahlreiche Fachgesellschaften weltweit stufen die Osteoporose als bedeutsame Volkskrankheit ein, welche etwa jede dritte Frau und jeden fünften Mann über 50 Jahre betriff. Die letzte GEDA-Studie des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2017 legte eine Häufigkeit von 4,4 % bzw. 1,9 % bei Frauen und Männern in der Altersgruppe zwischen 45 und 64 Jahren sowie 24,0 % und 5,6 % bei über 65-Jährigen nahe. Neben Spontanfrakturen erschwert eine verminderte Mineraldichte auch die operative Versorgung traumatisch hervorgerufener Knochenbrüche, erfordert den Einsatz spezieller Osteosynthesematerialien und Augmentationsverfahren.
Ein mittels Dual-Energy-X-Ray-Absorptiometry (DEXA) gemessener t-Score ≤-2,5 (d.h., 2,5 Standardabweichungen unter dem Durchschnitt geschlechtsgleicher gesunder 30-Jähriger) definiert eine Osteoporose. Die DEXA ist jedoch nicht in allen unfallchirurgischen Einrichtungen etabliert und wird selbst dann üblicherweise erst bei klinischem Verdacht auf eine Osteoporose angewandt. Aufgrund der selektiven Verfügbarkeit der DEXA und der sogenannten konditionalen Wahrscheinlichkeit ihrer Nutzung besteht einerseits die Gefahr von intra- und post-operativen Komplikationen aufgrund einer unzureichend personalisierten OP-Planung, andererseits der verzögerten, dabei zwingenden Einbindung von Betroffenen in Disease Management Programme (DMP), welche pharmakologische Maßnahmen zur Sekundärprävention beinhalten und gezielt eingeleitet werden müssen.
Die Computertomografie (CT) ist derzeit der internationale Goldstandard zur Diagnose und Klassifikation von Wirbelsäulenfrakturen und kann um eine quantitative CT (qCT) ergänzt werden, um die Knochendichte zu bestimmen. Bisher existieren noch unzureichende Informationen, ob die aus CT-Scans automatisch gewonnenen Graustufen, welche die Abschwächung von Röntgenstrahlung in verschiedenen Geweben beschreiben (gemessen in Hounsfield-Einheiten bzw. Hounsfield Units, HU), qCT-Werte vorhersagen können. In der Unfallchirurgie könnte dieses Surrogat oder Proxy eine wertvolle Alternative zur DEXA darstellen, um ohne zusätzlichen Aufwand, Kosten und Strahlenbelastung die Knochenqualität zu beurteilen und die Therapie daran auszurichten.
 

Studiendesign und Resultate

In eine retrospektive Kohortenstudie am BG Klinikum Bergmannstrost Halle wurden 305 Patientinnen und Patienten mit Frakturen der thorakolumbalen Wirbelsäule (Brustwirbelkörper 11 bis Lendenwirbelkörper 4) eingeschlossen, welche zwischen den Jahren 2000 und 2020 sowohl eine CT als auch qCT durchlaufen hatten. Das mittlere Alter der Betroffenen betrug 68 (Spanne, 23 bis 92) Jahre, das Verhältnis von Frauen zu Männern 1,7 : 1. Es dominierten Frakturen der LWK 3 (28 %), 2 (26 %) und 1 (19 %).
Die mittleren HU- und qCT-Werte betrugen 97 ± 39 und 82 ± 34 (Spanne, -22 bis 208). Der Intraclass Correlation Coeffcient (ICC) zwischen vier Beobachtern betrug 0,93 (95 % Konfidenzintervall 0,92 bis 0,94). Insgesamt ließen sich mittels linearer Regression reproduzierbare Schätzungen von qCT-Werten basierend auf HU erzielen. Als Näherungsformel erwies sich qCT = 0,8 × HU + 5 geeignet.


Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken

Die gute Übereinstimmung zwischen Ratern im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen HU- und qCT-Werten eröffnet eine Möglichkeit, mittels Routine-CT die Knochenqualität bei Frakturen der thorakolumbalen Wirbelsäule zu messen, die operative Strategie anzupassen und auch die Nachbehandlung besser zu planen. Da zunehmend mehr Unfallversicherte von einer Osteoporose betroffen sind, müssen auch pharmakologische Maßnahmen (unter anderem Vitamin D, Bisphosphonate etc.) zur Sekundärprophylaxe eingeleitet werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung müssen multizentrisch validiert werden, legen aber nahe, dass die mittels üblicher CT-Aufnahmen der Wirbelsäule generierten HU-Werte belastbare Aussagen über etwaige Minderungen der Knochenmineraldichte zulassen und sowohl therapeutisch als auch prognostisch berücksichtigt werden sollten.
Insbesondere bei Patienten, wie Männer unter 40 oder 50 Jahren, bei denen man nicht von verminderter Knochenqualität ausgeht, könnten die beschriebenen Methoden der CT- Diagnostik helfen, chirurgische Entscheidungen zu optimieren, die Behandlung anzupassen und damit das Outcome der Patienten verbessen und Komplikationen zu vermeiden. Im unfallchirurgischen Kontext können damit Strahlenbelastung und Kosten reduziert werden.