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Vorhersage von Komplikationen nach Frakturen

Potenzial der Blut-Biomarker B7-1 und PlGF-1

 

BG Klinik Tübingen

07.02.2025

R. Breinbauer, M. Mäling, S. Ehnert, G. Blumenstock et al.

doi: 10.1186/s12891-024-07789-0. PMID: 39210389; PMCID: PMC11360573.

 

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Was bisher bekannt ist


Das Risiko von Komplikationen nach operativer Frakturversorgung (insbesondere Infektionen und verzögerte oder ausbleibende knöcherne Konsolidierung [Non-Union]) wird durch soziodemografische Variablen, bestimmte chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Übergewicht, Rauchen, verschiedene Medikamente etc. beeinflusst. Nicht zuletzt bestimmt die individuelle genetische Ausstattung die Immunantwort auf ein Trauma. Seit vielen Jahren suchen internationale Arbeitsgruppen nach Biomarkern im peripheren Blut, welche eine frühzeitige Vorhersage der genannten Ereignisse erlauben könnte – auch das gerade gestartete multizentrische HELICOPTER-Vorhaben der BG Kliniken unter Tübinger Leitung und Förderung durch die DGUV (FR344) widmet sich diesem Ansatz. Grundlagen für dieses Projekt wurden am Siegfried-Weller-Institut in vorherigen Untersuchungen geschaffen, aus denen zwei vielversprechende Kandidaten-Marker hervorgingen.


Studiendesign und Resultate


In diese prospektive Kohortenstudie wurden 376 Patientinnen und Patienten zwischen 18 und 69 Jahren eingeschlossen, welche jedwede operative Therapie aufgrund einer Unfallverletzung (vorrangig Frakturen) unterlaufen hatten. Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme erfolgte eine routinemäßige Blutentnahme – studienspezifisch wurden Serum für die Bestimmung von BMP-2, IL-1β, PlGF-1, TGF- β2 und CTLA-4 sowie EDTA-Proben für die Messung von TIM-1, B7-1 und B7-2 gewonnen. Neben dem demografischen Profil wurden der Finnish Diabetes Risk Score (FINDRISK), der Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT-C) und der Kurzfragebogen des Robert-Koch-Instituts zur Rauchexposition erhoben. Komplikationen wurden nach Clavien-Dindo klassifiziert, wobei beispielsweise auf ein Ereignis des Schweregrades III mit einer chirurgischen, endoskopischen oder radiologischen Intervention reagiert werden muss.
Über wenigstens drei Monate konnten 292 Teilnehmende nachbeobachtet werden und bildeten die hier dargestellte Stichprobe (163 Männer, 129 Frauen, mittleres Alter 49 ± 15 Jahre, mittlerer BMI 26 ± 6 Jahre). Laborwerte waren von 244 Probandinnen und Probanden verfügbar, von denen 29 eine Komplikation des Clavien-Dindo-Schweregrades III erlitten (12 %, 95 % Konfidenzintervall 8 – 17 %).
Unter allen untersuchten Biomarkern zeigten das Oberflächenprotein B7-1 (CD80) und der Angiogenese-Faktor PlGF-1 Potenzial, um zur Vorhersage einer interventionspflichtigen chirurgischen Komplikation in diesem klinischen Szenario beizutragen. 
Für B7-1 lagen die cut-off-Werte für Männer und Frauen bei >9,5 beziehungsweise >29,0 pg/ml. Die hiermit assoziierten Schätzer der Sensitivität, Spezifität und Area under the Curve (AUC) betrugen 71 %, 66 % und 68 % bzw. 69 %, 76 % und 70 %. 
Für PlGF-1 lagen die cut-off-Werte für Männer und Frauen bei >55 beziehungsweise >210 pg/ml. Die hiermit assoziierten Schätzer der Sensitivität, Spezifität und Area under the Curve (AUC) betrugen 65 %, 70 % und 69 % beziehungsweise 62 %, 80 % und 68 %.
 

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken


Die beobachteten diagnostischen Indizes erlauben keine verlässliche Prognose einer chirurgischen Komplikation allein aufgrund der Bestimmung der Blut-Biomarker B7-1 oder PlGF-1, aber ihr Beitrag zur erklärten Varianz ist als jenseits des Zufalls einzustufen. Es bedarf der Validierung der diagnostischen Genauigkeit in einer unabhängigen Stichprobe unter Berücksichtigung klinischer Kriterien. Die Königsdisziplin verlangt den Nachweis, dass die Bestimmung zu einer Änderung von Management-Entscheidungen führt, und Patientinnen und Patienten von dieser Änderung profitieren. Die Ergebnisse dieser Untersuchung bereichern das Spektrum vorgeschlagener Biomarker für die Vorhersage von Komplikationen nach operativer Frakturversorgung um zwei aussichtsreiche Kandidaten.