
Der Mann mit dem Koffer
Jörg Schaller ist im BG Klinikum Duisburg nicht nur als Pflegefachkraft im Bereich Rückenmarkverletzte tätig, er ist auch zertifizierter Fachmann für Stomatherapie und Inkontinenzberatung.
Wenn Jörg Schaller mit seinem Koffer über eine Station läuft, ist er voll in seinem Element. Mehr als 200 Mal im Jahr wird er zu (Not-)Fällen auf eine der Stationen im BG Klinikum Duisburg gerufen, wo er als zertifizierter Experte sein Spezialwissen gerne zum Wohle der Patientinnen und Patienten einsetzt. Schaller führt zudem regelmäßig intensive Weiterbildungen für seine Kolleginnen und Kollegen durch und trainiert mit ihnen alle Handgriffe und Abläufe, die für eine bestmögliche Stoma- und Inkontinenzversorgung benötigt werden. Das erforderliche Equipment dafür hat er immer in seinem Koffer dabei.
Doch was genau ist eigentlich ein Stoma bzw. eine Inkontinenz? Bei einem Stoma handelt es sich um einen künstlichen Darmausgang, auch „Anus praeter“ genannt. Dazu wird operativ eine Verbindung zwischen Darm – meist Dickdarm – und der Haut am Bauch geschaffen. Das Stoma-System selbst besteht aus einer auf die Haut geklebten Platte und einem abnehmbaren Beutel. Es kann vorübergehend eingerichtet oder für immer bestehen bleiben. Jörg Schaller betreut bei Bedarf alle ins Haus kommenden Stoma-Patientinnen und Patienten ab Erstanlage bis zur Entlassung. Neue Stomata werden im BG Klinikum Duisburg jedoch nicht gelegt.

„Der Koffer ist gut gefüllt mit Medizinprodukten und Hilfsmitteln.“
Pflegefachkraft und Experte für Stomatherapie und Inkontinenzberatung
Stomaversorgung geht alle an
Für die Betroffenen ist, gerade in der Anfangszeit, der Umgang mit einem solchen Medizinprodukt ungewohnt und kann den Alltag einschränken. Sehr wichtig für sie ist deshalb, über ein gut anliegendes Stoma zu verfügen. Nur dann können die Patientinnen und Patienten ohne die Angst leben, dass das Stoma undicht wird. Im Notfall ein Stoma sachgerecht versorgen zu können, ist deshalb auch oder gerade für Angehörige unabdingbar. Der Stomatherapeut unterstützt daher alle Beteiligten dabei, den Umgang mit einem Stoma zu erlernen. Ziel ist eine selbstständige und damit selbstbestimmte Lebensführung der oder des Betroffenen.
Gleiches gilt auch beim Thema Inkontinenz. Oft ist ein Unfall die Ursache dafür, dass bei Patientinnen und Patienten die Blase nicht mehr richtig arbeitet und unfreiwillig Urin abgibt – oder überhaupt keinen Urin fördern kann. Je nach Verletzungsart oder bei altersbedingter Inkontinenz kommen dann unterschiedliche Katheter und/oder auch Urinalkondome, Schutzhosen sowie Einlagen zum Einsatz. Auch dafür ist Schaller ausgewiesener Spezialist und gibt sein Expertenwissen im Rahmen der Inkontinenzberatung gerne weiter. Einen Katheter legen dürfen aber grundsätzlich alle examinierten Pflegefachkräfte – in aller Regel jedoch aus versicherungsrechtlichen Gründen nur nach Anordnung der behandelnden Ärztin bzw. des behandelnden Arztes, vor allem bei einem Dauerkatheter.
Ein Stoma- und Inkontinenztag im Monat
Einmal im Monat ist Stoma- und Inkontinenztag. Dann geht Schaller – freigestellt von seinen anderen Verpflichtungen im RMV-Bereich – auf die Stationen und fragt nach Problemfällen, informiert und berät die Kolleginnen und Kollegen. Das kommt gut an und macht auch für die Pflegekräfte auf den Stationen den Alltag leichter. Mit den Produkten im Koffer können alle anfallenden Aufgaben bei der Inkontinenz- und Stomaversorgung demonstriert und trainiert werden. Manchmal hat Jörg Schaller darüber hinaus eine speziell für diesen Zweck angeschaffte Puppe dabei, an der die Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel das Legen eines Katheters üben können. Bei der Puppe kann man die Bauchdecke abheben und selbst prüfen, ob man alles sachgerecht und fachmännisch ausgeführt hat.
„Im Querschnitt lernen wir Patientinnen und Patienten mit erhaltener Handfunktion und guten kognitiven Fähigkeiten sogar gezielt an, sich selbst zu kathetern“, sagt Jörg Schaller. Wichtig ist das vor allem, wenn diese wieder zu Hause sind. „Kaum einem Pflegedienst oder auch Angehörigen ist es möglich, alle vier Stunden bei der jeweiligen Patientin bzw. dem jeweiligen Patienten zu sein, um einen Katheter zu legen“, erklärt die Fachkraft. Das habe auch finanzielle Gründe, denn die Kassen vergüten eine derartige Versorgung in der Regel nicht ohne Weiteres.
Große intrinsische Motivation
Natürlich hat Jörg Schaller auch Ideen, wie man die Stomatherapie und Inkontinenzberatung im Hause noch besser aufstellen könnte. Er denkt da beispielsweise an eine eigene Sprechstunde für Patientinnen und Patienten zu diesen Themen. Oder an eine Stoma- bzw. Inkontinenzberatung – etwa bei entlassenen Querschnittpatientinnen und -patienten. Es gebe zwar ausgebildete ambulante Stomatherapeutinnen und Stomatherapeuten. Aber meist seien diese nahezu ausgebucht und kämen – wenn überhaupt – vielleicht einmal im Jahr zu jeder Patientin bzw. jedem Patienten.