„Ich sage dann: Gib dir Zeit, wir unterstützen dich“
Reha-Besprechung im Querschnittzentrum der BG Klinik Tübingen: Die erfahrene Krankenpflegerin Elfi Heck hat den Heilungsverlauf ihrer Patientinnen und Patienten im Blick.
Konzentriert bringt Elfi Heck ihre Kolleginnen und Kollegen auf den neuesten Stand: Was kann die Patientin schon wieder selbstständig tun? Wo steht sie im Heilungsverlauf? Was muss als Nächstes angegangen werden? Chefarzt, Therapeutinnen und Therapeuten, Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege – ihr Briefing trägt dazu bei, dass das interdisziplinäre Team die nächsten Maßnahmen für die Patientin festlegen kann.
Elfi Heck freut sich über den heute festgelegten angepassten Therapieplan für die Patientin. Als nächste Maßnahme wird sie mit ihr das eigenständige Kathetern im Rollstuhl üben.
„Sich selbst kathetern zu können, ist ein enorm wichtiger Schritt zur Selbstständigkeit“, erklärt Elfi Heck. Die 51-jährige Krankenpflegerin geht mit zur Visite, nimmt an Einzelgesprächen und allen Besprechungen im therapeutischen Team teil. Zehn Patientinnen und Patienten betreut sie konstant in „ihrem“ Bereich, ist für diese oft erste Ansprechpartnerin.
Hilfe zur Selbsthilfe
„Für querschnittgelähmte Patienten werden Selbstverständlichkeiten wie der Toilettengang, über die sie vorher nie nachgedacht haben, plötzlich zu großen Hürden. Wir unterstützen sie deshalb dabei, diese Hürden im Alltag nach Möglichkeit eigenständig nehmen zu können.“
Den Patientinnen und Patienten mit ihrer Querschnittlähmung ein möglichst selbstbestimmtes, eigenständiges Leben zu ermöglichen, gehört zum Konzept der BG Klinik Tübingen. Die Reha Querschnittgelähmter startet deshalb auch so früh wie möglich, häufig noch auf der Intensivstation, und wird dann im Querschnittzentrum fortgeführt.
„Gemeinsam mit den Patienten etwas schaffen, das ist mir wichtig“, sagt Heck. So wie mit ihrer aktuellen Patientin, bei der zunächst ein Dauerkatheter über die Bauchdecke angedacht war. Doch die Patientin wollte unbedingt den Einmalkatheterismus probieren, war motiviert. „Natürlich unterstützen wir sie dabei.“ Manchmal bräuchten die Patientinnen und Patienten aber auch ihrerseits Zuspruch: „Ich zeige ihnen dann ihre Ressourcen auf, was noch alles für sie möglich ist.“
Elfi Heck arbeitet – mit kurzen Unterbrechungen durch Elternzeiten – seit 27 Jahren im Querschnittzentrum der BG Klinik Tübingen. 2019 hat sie die durch die DMGP zertifizierte Fachweiterbildung „Paraplegiologie“ absolviert, führt bei Exkursionen bis zu 20 Krankenpflege-Auszubildende über die Station, um ihnen die Arbeit im Querschnittzentrum näherzubringen.
Die Arbeit mit Querschnittgelähmten habe sie geerdet, sagt Elfi Heck: „Man sieht die Schicksale, man weiß, auch mich kann es jeden Tag treffen, und dann wird man dankbar.“
Die Zusammenarbeit im Querschnittzentrum erfolgt interdisziplinär: Krankenpflegende arbeiten eng mit Ärztinnen und Ärzten sowie mit Therapeutinnen und Therapeuten zusammen. Das zeige sich auch im Arbeitsalltag, betont Heck: „Der Umgang miteinander ist bei uns sehr menschlich, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Es gibt eine große Wertschätzung über die verschiedenen Professionen hinweg.“
Dieser Umgang sei es auch, der den Krankenpflegeschülerinnen und -schülern häufig auffalle: „Bei uns geht es familiärer zu als in vielen anderen Häusern, trotzdem verfügen wir über alle Möglichkeiten, haben eine sehr gute Ausstattung. Im Querschnittzentrum ist unser Stellenschlüssel auch noch etwas besser als anderswo.“
Junge Menschen für die Arbeit im Querschnittzentrum begeistern
Elfi Heck war selbst 23 Jahre alt, als sie im Querschnittzentrum der BG Klinik Tübingen anfing. Für junge Menschen biete die Paraplegiologie viele Möglichkeiten, sich zu entwickeln, davon ist sie überzeugt. Im Jahr 2000 hat sie sich deshalb zur Praxisanleiterin weiterbilden lassen.
Seit dem Sommersemester 2021 hat Elfi Heck zusätzlich einen Lehrauftrag am Campus für Gesundheitswissenschaften der Universität Tübingen übernommen. Im neuen Bachelor-Studiengang „Pflege“ gibt sie Studierenden Einblicke in die Themen „Körperpflege“ und „Ausscheidung“. In eigens dafür eingerichteten Skills Labs erlernen die Studierenden erste praktische Fertigkeiten, die sie auch während ihrer Praxistage in den Kliniken vertiefen.
„Sicherheit durch Kompetenz vermitteln – das ist eine unserer Grundaufgaben“
Nach der Reha-Besprechung eilt Elfi Heck zur Intensivstation, wo sie gemeinsam mit ihrer Kollegin einen neuen Patienten in Empfang nimmt.
Die Begleitung der Patientinnen und Patienten geht schon in dem Moment los, in dem Frischverletzte von der Intensivstation ins Querschnittzentrum kommen, erklärt die erfahrene Krankenpflegerin: „Gerade in dieser Phase ist es unsere Hauptaufgabe, Sicherheit zu vermitteln. Und das kann ich hauptsächlich durch Kompetenz. Für die Patienten ist es in dieser frühen Phase enorm wichtig zu wissen: Da ist jemand, der weiß, wovon er spricht, kann mir einen Fahrplan geben.“
Vertrauensvolle Beziehung zwischen Pflegekraft und Patientinnen und Patienten
Die meisten Patientinnen und Patienten haben einen längeren Aufenthalt im Querschnittzentrum, deshalb könne man häufig auch gute Beziehungen zueinander aufbauen. „Wir begleiten manche Patienten über lange Zeit, sind oft per Du. Das hat auch den Vorteil, dass wir direktes Feedback erhalten.“ Besonders für jüngere Pflegekräfte sei das interessant. Man müsse es aber auch mögen, Langzeitpatientinnen und -patienten zu betreuen.
Im Gegensatz zur Altenpflege habe das seine Vorteile, sagt Elfi Heck verschmitzt lächelnd: „Unsere Patienten verlassen die Station irgendwann alle. Viele werden in der Anschlussreha weiter betreut. Einige kehren direkt nach Hause zurück – in ihr neues altes Leben.“