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Schulter: Rasches Handeln verbessert Prognose

Moderne Möglichkeiten der Endoprothetik für optimale Schulterfunktion - ein Experteninterview mit Dr. med. Timur Tarhan, Sektionsleiter Sporttraumatologie und -orthopädie und Hauptoperateur im EndoProthetikZentrum der Maximalversorgung der BG Unfallklinik 

Herr Dr. Tarhan, Schulter­verletzungen sind im Sport, aber auch im ganz normalen Alltag und in der Freizeit keine Seltenheit. Sie können das Aus für bestimmte Berufe oder Sport­arten bedeuten, doch nicht jeder denkt bei einem Sturz gleich an etwas Ernsteres. Was sollte man nach einem Sturz auf die Schulter bedenken? 

Bei einem Bruch oder wenn man das Gefühl hat, es habe sich etwas verschoben, wird jeder sofort in die Klinik gehen. Nach Bagatell­stürzen sollte man zum Arzt gehen, wenn die Schulter­funktion beeinträchtigt ist und die Schmerzen länger anhalten, insbesondere wenn es nachts zu starken Schmerzen kommt. 


Ihr Leistungs­spektrum umfasst die operative und konservative Behandlung sämtlicher Veränderungen an der Schulter. Dabei betreuen Sie sowohl Freizeit- als auch Spitzen­sportler und Sportlerinnen. Wie gut ist denn generell die Prognose bei Schulter­verletzungen? 

Die Prognose ist in der Regel sehr gut. Sofern die Patienten rechtzeitig zu uns kommen, können mit den modernen Therapie­optionen die verletzten Strukturen wiederhergestellt werden – von Sehnen­rissen bis Absprengungen -, sodass eine vollständige Wieder­herstellung der Schulter­funktion meistens möglich ist. Schwieriger wird es, wenn eine Verletzung verschleppt wurde. In dem Fall hat sich beispielsweise bei einem Sehnen­riss das Gewebe stark verkürzt, so dass der Eingriff eine größere Heraus­forderung darstellt. Auch die Rehabilitation wird dann wesentlich schwieriger. 
 

Ein besonderer Tätigkeits­schwerpunkt von Ihnen liegt in der minimal­invasiven Versorgung von Verletzungen der Schulter. Welche Möglichkeiten gibt es hier, und wie muss man sich den Eingriff vorstellen? 

Sofern es irgendwie geht, gehen wir minimal­invasiv vor. Der Eingriff dauert in der Regel zwischen einer halben und eineinhalb Stunden bei Schulter­verletzungen, wobei vieles ambulant durchgeführt werden kann. Lediglich bei größeren Eingriffen bleiben die Patienten noch ein bis zwei Nächte stationär wegen der optimalen Schmerz­therapie. 
Die Wunde heilt relativ schnell, sodass die Fäden bereits nach zehn Tagen gezogen werden können. Allerdings muss die Schulter für die Dauer von etwa sechs Wochen mithilfe einer Orthese ruhiggestellt werden, damit das verletzte Gewebe heilen kann. Um eine Versteifung zu vermeiden, ist in dieser Zeit passive Bewegung sehr, sehr wichtig. Das erfolgt über Kranken­gymnastik sowie zu Hause über einen sogenannten Bewegungsstuhl (CPM-Stuhl). 
Wichtig ist, dass die Nachbehandlungs­empfehlungen konsequent eingehalten werden. Dazu zählt auch, dass aufs Rauchen verzichtet werden sollte, da dies die Einheilung reduziert. Auch manche Medikamente können die Heilung beeinträchtigen.


Stichwort degenerative Erkrankungen der Schulter – welche Möglichkeiten bietet hier die moderne Endo­prothetik? Welche Arten von Prothesen gibt es und wie ist die Prognose?
 

Kristin Amara

Sekretariat Sektion Schultertraumatologie und -orthopädie

069 475-2121sportorthopaedie@bgu-frankfurt.de
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Die Endoprothetik bietet ein weites Feld an Möglichkeiten – von der Teilprothese bis zur Vollprothese oder (im Fall von Tumorpatienten) sogar dem Ersatz des Oberarms.
Dr. med.Timur Tarhan

Sektionsleiter Sporttraumatologie und -orthopädie


Die Heraus­forderung bei einer Prothese ist stets das funktionale Outcome, und dies liegt an der Muskulatur der Schulter. Wenn die Schulter mangels Muskulatur bereits eingesteift ist, ist die Wieder­herstellung der vollen Funktions­fähigkeit erschwert. Daher gilt gerade bei Schulter­problemen: Wer früher kommt, wird schneller fit. Die Schulter ist eben ein sehr komplexes Gelenk. 
Bei jungen Patienten genügen oft Teil­prothesen. Ist eine Voll­prothese erforderlich und die sogenannte Rotatoren­manschette intakt, wird ein sogenanntes anatomisches Gelenk eingebaut. Funktioniert die Rotatoren­manschette nicht mehr, ist eine inverse Prothese erforderlich. Dabei wird der Gelenkkopf auf die Pfanne gesetzt. Der Delta­muskel übernimmt dann die Aufgabe der Rotatoren­manschette. Der Eingriff dauert 45 Minuten bis eine Stunde. Die Patienten bleiben in der Regel drei bis vier Tage bei uns. 
Der große Vorteil der inversen Prothese liegt darin, dass die Patienten ihre Schulter schon am Tag der Operation ohne Ein­schränkung bewegen können. Bei einem anatomischen Gelenk muss die Rotatoren­manschette erst wieder heilen, was etwa sechs Wochen dauert. In dieser Zeit ist nur passive Bewegung möglich. Gerade bei älteren Patienten bevorzugen wir daher die inverse Prothese. Übrigens geht der Trend auch bei einem Oberarm­kopfbruch heute wegen des besseren Outcomes weg von der Osteo­synthese hinzu einer inversen Prothese. 


Wie lange halten solche Schulter­prothesen eigentlich?

Die Haltbarkeit ist ähnlich wie die von Hüft­prothesen und liegt bei über 90 Prozent nach 15 Jahren. Auch ein Prothesenwechsel ist möglich, wobei dies aufgrund der anatomischen Verhältnisse in der Schulter etwas schwieriger als an anderen Gelenken ist. 


Als Kompetenz­zentrum für arthroskopische Chirurgie (Gelenk­spiegelungen) bieten Sie ein vollständiges Spektrum des aktuell Möglichen und Sinnvollen im Bereich der Schulter an. Welche Rolle spielt dabei die Nach­behandlung?

Eine sehr wichtige. Es handelt sich immer um ein ganzheitliches Behandlungs­konzept von der Diagnose­stellung über die operative Versorgung bis hin zu einer zielgerichteten und bedarfs­adaptierten Nach­behandlung. Nur so kann die möglichst volle Funktion der Schulter wieder erreicht werden. Hierzu arbeiten wir eng mit den sport-, physio- und ergo­therapeutischen Spezialisten bzw. Spezialistinnen unserer klinik­internen Rehabilitation sowie den Physio­therapeuten und Physio­therapeutinnen in der freien Praxis zusammen.