Prof. Frank Kandziora: „Die Bilanz des DWG-Kongresses 2020 ist durchweg positiv.“
Prof. Dr. med. Frank Kandziora, Chefarzt des Zentrums für Wirbelsäulenchirurgie und
Neurotraumatologie an der BG Unfallklinik Frankfurt ist Präsident
der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG). Der Deutsche Wirbelsäulenkongress – 15. Jahrestagung der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG) fand vom 9. bis zum 11. Dezember digital statt. Prof. Kandziora zieht in einem Interview ein Resümee.
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17.12.2020Auch der DWG-Kongress konnte wegen der Corona-Pandemie nicht als Präsenzveranstaltung, sondern nur als virtueller Kongress stattfinden. Herr Prof. Kandziora, wie sieht Ihre Bilanz des DWG-Kongresses 2020 aus? Gab es Veranstaltungen, die besonders nachgefragt waren? Und was war Ihr persönliches Highlight?
Die Bilanz des DWG-Kongresses 2020 ist durchweg positiv. Für die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft war es eine Premiere, einen virtuellen Kongress durchzuführen. Vom technischen Aspekt her verlief das dreitägige Meeting vollkommen problemlos. Unser Kongressveranstalter Conventus hat hier exzellente Arbeit geleistet. Auch hinsichtlich des wissenschaftlichen Inhalts waren wir sehr zufrieden. Wir hatten erstklassige Vorträge und hervorragende Diskussionen. Auch die virtuelle Mitgliederversammlung war technisch gut umzusetzen und hat einen Teilnehmerrekord erzielt. Alles in Allem betrachte ich den virtuellen DWG-Kongress 2020 als herausragenden Erfolg.
Wie auch bei den Anwesenheits-Kongressen, waren vor allen Dingen die Pro- & Contra- Sitzungen nachgefragt. Mein persönliches Highlight waren die exzellenten Gastreferenten, speziell der Vortrag von Dr. Ulf Merbold über Schwerelosigkeit im All, hat mich fasziniert.
Wo sehen Sie die Vorteile des digitalen Formates und könnte es auch in Zukunft eine sinnvolle Ergänzung für Kongresse und Veranstaltungen sein? (falls ja): Was könnte in Ihren Augen noch verbessert werden?
Zunächst besteht der wesentliche Vorteil des digitalen Formats darin, dass im Vergleich zu einem Anwesenheitskongress keine Einschränkungen bestehen hinsichtlich des Programms, der Qualität der Referenten, der Programmstruktur und auch des Zeitplans. Die virtuellen Formate haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie jederzeit, auch über den Kongresszeitraum hinaus, auch zeitversetzt und überall abrufbar sind. Durch Livediskussionen, das Chatten und andere Interaktionen ist es auch möglich, sich persönlich mit Kolleginnen und Kollegen entsprechend auszutauschen. Auch eine entsprechende CME-Zertifizierung als ärztliche Weiterbildung ist möglich. Ein weiterer Vorteil ist natürlich das sämtliche Reise- und Übernachtungskosten und der damit verbundene zeitliche Aufwand entfallen.
Das wesentliche Problem der digitalen Formate ist aber das die persönliche Interaktion und das damit verbundene Networking. Auch der direkte Kontakt zu Industrieunternehmen und die Möglichkeit aktuelle - normalerweise auf Kongressen ausgestellte - technische Innovationen und Produkte „hands-on“ zu erfahren, sind extrem limitiert.
Daher gehe ich davon aus, dass sich in Zukunft Hybridformate durchsetzen werden. Eine Kombination aus persönlichem Treffen und virtueller Interkation wird vermutlich die Zukunft darstellen.
Eine Folge der Pandemie sind verschobene Operationen in verschiedensten Bereichen, auch Wirbelsäulen-Operationen sind davon betroffen. Gibt es hierzu konkrete Zahlen, wie viele Operationen verschoben werden mussten? Was bedeutet das für Operateure und Patienten? Und wie gehen Sie an Ihrer Klinik damit um?
Genaue Zahlen, wie viele Wirbelsäulenoperationen abgesagt, bzw. verschoben werden mussten, liegen mir derzeit nicht vor. Es gibt allerdings erste noch unveröffentlichte wissenschaftliche Untersuchungen die von ca. 20-30% ausgehen. Diese Operationen sind aber nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben.
Dabei sind für diese Verschiebungen derzeit weniger die Kliniken der ausschlaggebende Faktor, diese stehen vielerorts für sämtliche Operationen bereit, sondern eher die Patienten, die aufgrund ihrer Angst vor Corona einen stationären Aufenthalt hintenan stellen. Die Behauptung von manchen gesetzlichen Krankenversicherungen, dass der Rückgang der Operationszahlen beweisen würde, dass viele Wirbelsäulenoperationen überflüssig sind, ansonsten wären sie ja nachgeholt worden, ist lächerlich. Meine Klinik ist typischerweise zu 100% ausgelastet, sodass ausgefallene Operationen nicht einfach durch eine Steigerung der Operationszahlen im nächstgelegenen Zeitraum kompensiert werden können. Ganz im Gegenteil, die ausgefallenen Operationen landen auf einer Warteliste, was einfach nur dazu führt, dass die Wartezeiten für Patienten auf eine Wirbelsäulenoperation sich in meinem Umfeld erheblich verlängert haben.
Wichtig ist für uns, dass die Patienten sich nicht erst am Tag vor der Operation für einen Verzicht auf Ihren Eingriff entscheiden, sondern rechtzeitig 2-3 Tage vorher Bescheid geben, damit wir die kurzfristig freiwerdenden Op-Kapazitäten an Patienten auf der Warteliste vergeben können. Auch das ist gelebte Solidarität.