Wie die Schilddrüsen­funktion stressbedingte Herzprobleme beeinflusst

Forscher finden neues Erklärungsmodell für die Takotsubo-Kardiomyopathie, auch Broken Heart Syndrome genannt

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01.12.2020

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Brustschmerz, Atemnot, Herzstolpern und Herzklopfen: Diese Symptome charakterisieren nicht nur einen Herzinfarkt, sondern können auch durch ein anderes, noch wenig erforschtes Krankheitsbild hervorgerufen werden. Bei der sogenannten Takotsubo-Kardiomyopathie handelt es sich um eine seltene, aber lebensbedrohliche Erkrankung des Herzens, die bei extremen Stressereignissen eintreten kann. Herz- und Hormonforscher aus Bochum und Mannheim haben jetzt gezeigt, dass offenbar ein starker Zusammenhang besteht zwischen dem Auftreten eines Takotsubo-Syndroms und einer gestörten  Schilddrüsenfunktion von Betroffenen. Die multizentrische Studie, an der federführend das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil beteiligt war, wurde jetzt im Journal of Internal Medicine publiziert.

Schwerwiegende Funktionsstörung des Herzmuskels

Die Takotsubo-Kardiomyopathie – auch Stress-Kardiomyopathie oder Broken Heart Syndrome genannt – ist als Krankheitsbild erst seit rund 30 Jahren bekannt. Sie ist gekennzeichnet durch eine akute schwerwiegende Funktionsstörung des Herzmuskels, meist ausgelöst durch eine extreme emotionale und psychische Belastungssituation. Frühzeitig erkannt und richtig behandelt, ist die Prognose für die meisten Patienten günstig. Allerdings kann es in der Akutphase der Erkrankung zu komplizierten und sogar lebensgefährlichen Verläufen kommen. Forscher vermuteten schon länger, dass es eine enge Beziehung zwischen dem Auftreten einer Takotsubo-Kardiomyopathie und Erkrankungen der Schilddrüse gibt. Eine Arbeitsgruppe aus Bochum und Mannheim hat jetzt in einer größeren Fallserie Patienten mit Takotsubo-Syndrom systematisch hinsichtlich ihres  Schilddrüsenstoffwechsels untersucht und sie mit Gesunden und mit Personen nach einem Herzinfarkt verglichen.

Mit Hilfe künstlicher Intelligenz und systembiologische Modelle fand sich ein starker Zusammenhang zwischen Schilddrüsenfunktion und Takotsubo-Syndrom, und zwar in zwei Unterformen. Bei der einen Form („endokriner Typ“) liegt eine Überfunktion der Schilddrüse vor, die zur Entwicklung der Herzkrankheit beiträgt. Die zweite Form („Stresstyp“) ist durch einen erhöhten Sollwert der Schilddrüsenregulation bedingt, der wahrscheinlich direkt mit dem Stressereignis zusammenhängt. Hierbei ist kein direkter Beitrag der kreislaufrelevanten Schilddrüsenhormone auf das Herz nachweisbar.

Wie Hormone die Herzempfindlichkeit beeinflussen

„Es war bislang unklar, warum sich Stressereignisse sehr unterschiedlich auf das Herz auswirken“, erklärt Dr. Assem Aweimer, Oberarzt der Kardiologischen Klinik im Bergmannsheil. „Die Ergebnisse unserer Studie liefern ein neues Erklärungsmodell, das eine erhöhte Empfindlichkeit des Herzmuskels für Stresshormone auf eine Sensibilisierung durch Schilddrüsenhormone zurückführt.“ PD Dr. Johannes W. Dietrich, Oberarzt der Medizinischen Klinik I im Bergmannsheil, ergänzt: „Die Ergebnisse der Studie streichen die Bedeutung psychoendokriner Zusammenhänge auch bei schweren Erkrankungen heraus. Die Schilddrüsenfunktion könnte künftig als Biomarker für den individuellen Entstehungsmechanismus eines Takotsubo-Syndroms dienen und helfen, die medikamentöse Therapie personalisiert zu optimieren.“

Originalarbeit:
Assem Aweimer et al.: Abnormal thyroid function is common in Takotsubo syndrome and depends on two distinct Mechanisms: Results of a multicenter observational study, in: Journal of Internal Medicine, 2020, DOI: 10.1111/joim.13189, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/joim.13189

Bild: PD Dr. Johannes W. Dietrich (links) und Dr. Assem Aweimer - Bildnachweis: Melina Kalwey, Bergmannsheil