Ambulante Behandlung früher COVID-19-Erkrankungen und Sekundärprävention schwerer Krankheitsverläufe
Das US-amerikanische National Institute of Health (NIH) und die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) haben kürzlich evidenzbasierte Empfehlungen zur ambulanten Behandlung einer frühen COVID-19-Erkankung herausgegeben.
Die ambulante kausale Behandlung einer frühen COVID-19-Erkrankung dient der Verhinderung schwerer, stationär behandlungspflichtiger Verläufe und ist somit als Sekundärprävention zu verstehen. Hierfür existieren nunmehr in Kapsel- bzw. Tablettenform einzunehmende antivirale Medikamente wie Molnupiravir (Lagevrio®) und Nirmatrelvir-Ritonavir (Paxlovid®), aber auch intravenöse Substanzen wie Remdesivir (Veklury®) und monoklonale Antikörper wie Sotrovimab (Xevudy®).
Der Hersteller Eli Lilly hatte bereits im November 2021 den Antrag auf Zulassung der Antikörper-Kombination Bamlanivimab und Etesevimab im laufenden sogenannten „Rolling Review“-Verfahren durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA zurückgezogen (Pharmazeutische Zeitung). Das NIH bewertet ebenso wie das Paul Ehrlich Institut (PEI) die Kombination von Casirivimab und Imdevimab (Ronapreve®, Roche) als unzureichend wirksam gegenüber der vorherrschenden Omikron-Variante.
Somit können und sollten im ambulanten Rahmen derzeit vier Medikamente, idealerweise innerhalb einer Woche nach ersten Symptomen verordnet bzw. verabreicht werden, um einen schweren COVD-19-Verlauf zu verhindern. Tabelle 1 skizziert das Basisprofil der randomisierten Zulassungsstudien sowie die absoluten und relativen Risikoreduktionen im Vergleich zu einer Placebo-Kontrolle. Abbildung 1 illustriert die Effektivität der verschiedenen Substanzen in grafischer Form.
Wir haben eine Netzwerk-Meta-Analyse mittels STATA / MP 16.1 durchgeführt - die hierbei ermittelten Odds Ratios deuten die folgende Rangfolge in der Effektivität zur Verhinderung schwerer COVID-19-Verläufe und stationärer Behandlungen an: 1. Paxlovid, 2. Molnupiravir, 3. Remdesivir, 4. Sotrovimab.
Über alle Therapiegruppen betrug die Sterblichkeit 2 / 2.318 (0,09 %, 95 % Konfidenzintervall [KI] 0,01 – 0,31 %), über alle Placebogruppen 25 / 2.320 (1,08 %, 95 % KI 0,70 – 1,59 %) (Abbildung 2). Aufgrund der glücklicherweise geringen Gesamtsterblichkeit sind die Effekte einer medikamentösen Intervention auf die Mortalität marginal: Es müssten 70 bzw. 87 Patientinnen und Patienten mit früher COVID-19-Infektion mit Molnupiravir bzw. Paxlovid statt mit Placebo behandelt werden, um einen zusätzlichen Todesfall zu vermeiden.
Es ist derzeit spekulativ, ob und wie eine Kombination der o.g. Medikamente bei frühen COVID-19-Symptomen eine stationäre Behandlung und einen schweren oder tödlichen Verlauf vermeiden könnte. Auch muss die Wirksamkeit der genannten Substanzen bei Impfdurchbrüchen, nach bereits durchgemachter Erkrankung, mit und ohne Booster-Impfung gesondert evaluiert werden.
In keinem Fall dürfen die günstigen sekundärpräventiven Effekte einer frühen Behandlung mit Molnupiravir und Paxlovid dazu verleiten, die Bedeutung der Primärprävention durch eine Impfung herabzuwürdigen. Es ist ein Segen, dass wir zwei Jahre nach Beginn einer beispiellosen Pandemie nicht nur über Impfstoffe, sondern auch über kausal wirkende Medikamente verfügen. Letztere dürften aber höhere Kosten für die Solidargemeinschaft verursachen als Impfstoffe. Ihre Verordnung sollte also die Ausnahme bleiben.
Fazit
Mit Molnupiravir (Lagevrio®)-Kapseln und Nirmatrelvir-Ritonavir (Paxlovid®)-Filmtabletten, aber auch intravenösen Substanzen wie Remdesivir (Veklury®) und monoklonalen Antikörpern wie Sotrovimab (Xevudy®) stehen wissenschaftlich belegte Therapien zur Verfügung, um in frühen Stadien einer COVID-19-Infektion bei Betroffenen mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf eine Krankenhausbehandlung abzuwenden.
Stand: 01.03.2022